Neue Dauerausstellung über Thomas Müntzer im Schloss Allstedt

Das Bundesland Sachsen-Anhalt verfügt über ein reiches historisches Erbe, zu dem die Reformation und die Aufstandsbewegungen am Anfang des 16. Jahrhunderts zählen. Das öffentliche Interesse an der Geschichte ist spürbar gewachsen, nicht zuletzt weil im „Kernland der Reformation“ das 500jährige Reformationsjubiläum 2017 aufwendig vorbereitet wird. Vor allem die Orte, die in der Vita Martin Luthers eine Rolle spielen – besonders Eisleben, Mansfeld und Wittenberg – sind bekannte Besucherziele, die mit ihren in den letzten Jahren teilweise großzügig restaurierten kulturhistorischen Sehenswürdigkeiten werben.

Das Reformationsjubiläum erweist sich aber auch zunehmend als Chance für authentische Orte des Geschehens, die aus unterschiedlichen Gründen in den letzten Jahrzehnten eher vergessen schienen. Das gilt für die kleine Stadt Allstedt. Der Prediger und radikale Reformator Thomas Müntzer wirkte hier von März 1523 bis August 1524. Luthers Verdikt über den „Satan von Allstedt“ beherrschte die Reformationsgeschichtsschreibung über Jahrhunderte hinweg.

Seit Ende November 2014 gibt es im Burg- und Schlossmuseum Allstedt eine neue Dauerausstellung: „1523 – Thomas Müntzer. Ein Knecht Gottes“. Kurator ist der junge Historiker Adrian Hartke, der das Museum seit einiger Zeit leitet. Konzeptionell wurde er u.a. von Mitgliedern der Thomas-Müntzer-Gesellschaft beraten, vor allem von Prof. Siegfried Bräuer, der die vorbereitenden Arbeiten aktiv unterstützte und zusammen mit Prof. Günter Vogler im Ausstellungsvideo interviewt wird. Die feierliche Ausstellungseröffnung fand in der barocken Schlosskapelle statt. Aus diesem Anlass hielt Prof. Bräuer einen Einführungsvortrag, der von den zahlreichen Veranstaltungsgästen sehr interessiert aufgenommen wurde.

In den elf (zum Teil sehr kleinen) Schlossräumen wird vor allem Müntzers anderthalbjähriges Wirken in Allstedt gewürdigt. 1523 übernahm Thomas Müntzer das Pfarramt an der Kirche St. Johannis. Hier wurde erstmals der Gottesdienst in deutscher Sprache gefeiert. Seine Schriften zur Gottesdienstreform wurden in der eigens dafür in der Stadt eingerichteten Werkstatt gedruckt. 1523 erschien das Deutsche Kirchenamt, und ein Jahr später folgte die Deutsche Evangelische Messe.

Auf Schloss Allstedt predigte Müntzer im Juli 1524 vor Herzog Johann von Sachsen und Kurprinz Johann Friedrich. Seine Auslegung der Daniel-Prophezeiung – die sogenannte Fürstenpredigt- ist ein wichtiges Dokument der Reformationsgeschichte und wird als Faksimile ausgestellt. Deren Inhalt und Bedeutung wird jedoch nur in Ansätzen erklärt. Überwiegend wird auf die Wirkung der einzelnen Objekte gesetzt, und wenige Texte vermitteln historische Fakten. Zudem wird einfallsreich versucht, die Ausstellung auch für Kinder zu einem interessanten Erlebnis werden zu lassen.

Insgesamt werden mehr als 100 Exponate gezeigt, darunter sind mehrere Leihgaben aus Kirchen und Gemeinden der Region, die sowohl die Alltagsfrömmigkeit dokumentieren als auch Zeugnis von Müntzers Lehre über die wahre christliche Ordnung und ein gottgefälliges Leben ablegen. Angesichts der Tatsache, dass es nur wenige persönliche Zeugnisse von Müntzer gibt und verlässliche Aussagen über sein Leben nur bruchstückhaft gemacht werden können, bleibt eine Ausstellung zu diesem Thema immer eine Herausforderung.

Besonders gelungen ist der Ausstellungsteil, in dem die Rezeptionsgeschichte behandelt wird. Beispielsweise wird auf Gottfried Arnolds Unparteyische Kirchen- und Ketzer-Historie aufmerksam gemacht, die sich Müntzer erstmalig frei vom Urteil der Wittenberger Reformatoren zuwandte. Arnold war von 1702-1705 der hiesige Hofprediger und selbst Anfeindungen ausgesetzt. Aus dem Besitz des Museums stammen Grafiken und Gemälde, die zeigen, dass Müntzer auch bildende Künstler in der DDR inspirierte. Zudem erinnern sehenswerte Plakate an lokale und staatliche Aktivitäten. Auch ist ein vergleichendes Urteil über die Müntzerrezeption in Allstedt möglich, denn die in den achtziger Jahren anlässlich des 500. Geburtstags des Reformators konzipierte Schau ist weiterhin zugänglich.

Ein Porträt Müntzers, das aus seiner Lebenszeit stammt, ist nicht überliefert. Unsere Vorstellung von seinem Aussehen wurde vor allem von dem von Christoph van Sichem Anfang des 17. Jahrhunderts geschaffenen Kupferstich geprägt. Daran lehnt sich das Ausstellungssignet an. Es ist eine Müntzer-Silhouette, die die Besucher nicht nur durch die Schlossräume begleitet, sondern auch auf einem Stadtspaziergang auf Wirkungsstätten hinweist. Laut Hartke soll die gesichtslose Silhouette eine Metapher für die hier geschaffene Möglichkeit sein, sich mit dem Reformator auseinanderzusetzen. Die Ausstellung will die Besucher ermutigen, sich eine eigene Meinung über Müntzer zu bilden, und anregen, den Reformator „modern“ zu sehen: weder als den von Luther verteufelten „Satan von Allstedt“ noch als einen „sozialen Revolutionär“. Und nicht zuletzt: Die neue Ausstellung soll dazu beitragen, dass Allstedt für mehr Besucher interessant wird und die Stadt ihren Ruf als eine „versteckte Stätte der Reformation“ ablegen kann. Zu hoffen ist, dass Müntzer als eine die Reformation mitprägende historische Persönlichkeit verstanden wird und so vielen Ausstellungsbesuchern im Gedächtnis bleibt.

Marion Dammaschke